Die vorliegende Untersuchung beginnt mit einem kurzen historischen Rückblick und der Definition von Mehrwert und Mehrwertabgabe. Der zweite Teil bietet einen Überblick über die verschiedenen kantonalen Regelungen. Im dritten Teil stellen wir empirische Analysen auf der Basis von über 200 Gutachten vor. Den Abschluss bilden 4 Thesen, die wir in direkten Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Kantonen und Gemeinden erörtert haben.
Das erste Raumplanungsgesetz, das 1980 in Kraft trat, überliess die konkrete Ausgestaltung der Mehrwertabgabe den Kantonen. In der Praxis wurde diese Möglichkeit jedoch über einen langen Zeitraum kaum genutzt, sodass der ursprüngliche Anspruch weitgehend theoretischer Natur blieb.
Ein bedeutender Wendepunkt in der Entwicklung der Mehrwertabgabe war die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1), das die Bevölkerung im Jahr 2013 in einer Volksabstimmung annahm und das 2014 in Kraft trat. Diese Gesetzesänderung verpflichtete die Kantone erstmals dazu, innerhalb von 5 Jahren verbindliche Regelungen zur Mehrwertabgabe zu erarbeiten. Besonders hervorzuheben ist die Bestimmung, dass bei Einzonungen – also bei der Umwandlung von Nichtbauzonen in Bauzonen – eine Abgabe von mindestens 20% des dadurch entstehenden Mehrwerts erhoben werden muss. In den darauffolgenden Jahren stellte das Bundesgericht in den Urteilen Münchenstein und Meikirch klar, dass auch Um- und Aufzonungen grundsätzlich der Mehrwertabgabe unterliegen.
Mit der im Jahr 2023 von National- und Ständerat verabschiedeten zweiten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2), die voraussichtlich im laufenden Jahr 2025 in Kraft treten wird, erfolgt eine weitere signifikante Anpassung: Entgegen der bisherigen Bundesgerichtsentscheide wird künftig ausschliesslich bei Einzonungen eine zwingende Mehrwertabgabe erhoben. Bei Um- und Aufzonungen wird den Kantonen die Freiheit eingeräumt, eine Abgabe zu erheben oder davon abzusehen. Diese Neuregelung soll den regionalen Besonderheiten besser Rechnung tragen, sie führt jedoch auch zu einer stärkeren Divergenz in der praktischen Umsetzung.
Rund 10 Jahre nach der Einführung des RPG 1 haben alle Kantone entsprechende Regelungen zur Mehrwertabgabe erlassen. Es ergibt sich dabei allerdings ein heterogenes Bild:
Die anstehende Implementierung des RPG 2 wird den Diskurs um die angemessene Ausgestaltung der Mehrwertabgabe weiter intensivieren. Insbesondere wird zu beobachten sein, wie die erhöhte Flexibilität bei Um- und Aufzonungen den Ausgleich zwischen den betroffenen Gemeinden und Investoren beeinflusst.
Der Mehrwert wird in den Baugesetzen der Kantone unterschiedlich definiert. Aus einer ökonomischen Perspektive bezeichnet ein planungsbedingter Mehrwert den zusätzlichen wirtschaftlichen Wert, der einem Grundstück infolge einer planerischen Massnahme zukommt. Dieser Wertzuwachs entsteht, wenn die Nutzungsmöglichkeiten oder die Bebauungspotenziale eines Grundstücks erweitert werden. Zu den zentralen planerischen Massnahmen zählen die folgenden:
Zur Ermittlung des Mehrwerts wird üblicherweise der Vergleich des Grundstückswerts vor und nach der Umsetzung der jeweiligen Massnahme herangezogen. Diese Differenz bildet die Basis für die spätere Berechnung der Mehrwertabgabe.
In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema Auszonung. Darunter versteht man die Rückführung von Bauland in eine Nichtbauzone. Dieses Instrument wird eingesetzt, wenn ausgewiesene Bauzonen zu gross sind oder ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Bei Auszonungen haben die Eigentümer in der Regel das Recht auf eine Entschädigung. Um diese zu decken, sieht das Bundesrecht vor, dass Kantone bzw. Gemeinden einen Teil der durch Ein-, Um- oder Aufzonungen erzielten Mehrwertabgaben für solche Fälle verwenden. Je nach Kanton und dessen Gesetzgebung wird dafür entweder ein spezieller Fonds eingerichtet, oder der Ertrag wird direkt zweckgebunden eingesetzt, um Auszonungen zu finanzieren.
Die Mehrwertabgabe ist ein gesetzlich vorgeschriebener Ausgleich, der einen Teil des durch raumplanerische Massnahmen entstehenden Mehrwerts an die öffentliche Hand abführt. Dieses Instrument stellt sicher, dass die Planungsvorteile nicht ausschliesslich den Grundeigentümern, sondern auch der Allgemeinheit zugutekommen – beispielsweise durch die Finanzierung von Auszonungen, von Infrastrukturmassnahmen oder von Massnahmen der Raumplanung.
Das sind die wesentlichen Merkmale der Mehrwertabgabe im Schweizer Raumplanungsrecht:
Das Raumplanungsgesetz (RPG) setzt auf Bundesebene nur minimale Vorgaben, sodass die konkrete Ausgestaltung der Mehrwertabgabe weitgehend in den Händen der Kantone liegt. Diese dezentrale Regelung hat erhebliche Unterschiede zur Folge, da alle Kantone eigene Vorschriften zu Abgabetatbeständen, Abgabesätzen, Mindestbeträgen, Fälligkeit, Befreiung von der Abgabepflicht, Verwendung der Erträge usw. einführen. Die dadurch entstehende Heterogenität stellt sowohl Planer als auch Investoren vor besondere Herausforderungen.
Bei den folgenden Ausführungen gilt es zu beachten, dass die Gesetzgebung in den 26 Kantonen und den über 2000 Gemeinden der Schweiz immer wieder neu angepasst wird. Es ist daher unabdingbar, für ein konkretes Projekt die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen im jeweiligen Kanton bzw. in der jeweiligen Gemeinde zu konsultieren.
Ein zentraler Aspekt der Mehrwertabgabe ist der Abgabesatz. Orientiert man sich hier beispielsweise an den Einzonungen, so kann man feststellen, dass sich die Mehrheit der Kantone für den vom Bund vorgeschriebenen Mindestabgabesatz von 20% entschieden hat. Allerdings gibt es Ausnahmen:
Eine vollständige Übersicht würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Ausserdem werden die Regelungen, wie oben erwähnt, laufend weiterentwickelt und variieren stark, nicht nur zwischen, sondern teils auch innerhalb der Kantone. Das Erscheinungsbild der Mehrwertlandschaft Schweiz ist somit sehr heterogen und nicht sehr stabil.
Neben den Abgabensätzen haben die meisten Kantone einen Mindestbetrag eingeführt, der bestimmt, ab welchem Mehrwert überhaupt eine Abgabe erhoben wird. Hierbei unterscheidet man im Wesentlichen zwei Ansätze:
Das Konzept des Freibetrags gilt als «gerechter», ergibt jedoch für die Gemeinde ein schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis, während eine Freigrenze für die Behörden einfacher zu handhaben ist. Man stelle sich den Fall vor, dass ein Mehrwert von 22’000 Franken festgestellt wird. Bei einer Freigrenze von 20’000 Franken wird beim Eintritt der Fälligkeit (vgl. Fälligkeit) eine Mehrwertabgabe auf die gesamten 22’000 Franken fällig. Bei einem Freibetrag hat die Gemeinde denselben Aufwand, die Mehrwertabgabe bezieht sich aber lediglich auf 2000 Franken. Relativiert wird dieses Dilemma dadurch, dass diese Mindestbeträge nur bei kleineren Projekten wesentlich ins Gewicht fallen. Bei grossen Arealentwicklungen hingegen, bei denen sehr hohe Mehrwerte entstehen, ist der Einfluss des Mindestbetrags, relativ gesehen, sehr klein (vgl. Tragbarkeit der Mehrwertabgabe)
Als Tatbestände, die eine Mehrwertabgabe auslösen können, kommen Ein-, Auf- und Umzonungen infrage. Nach dem Inkrafttreten von RPG 1 stellte das Bundesgericht in den Fällen Meikirch und Münchenstein fest, dass nicht nur Einzonungen, sondern auch Auf- und Umzonungen grundsätzlich der Mehrwertabgabe unterliegen. Damit wären die Weichen in Richtung einer schweizweiten Harmonisierung der kantonalen Regelungen gestellt gewesen. Mit der Einführung von RPG 2 müssen die Kantone jedoch künftig ausschliesslich bei Einzonungen zwingend eine Mehrwertabgabe erheben. Im Falle von Um- und Aufzonungen wird ihnen explizit die Freiheit eingeräumt, eine Abgabe zu erheben oder davon abzusehen bzw. die Entscheidung darüber an ihre Gemeinden zu delegieren. Damit schein klar, dass die Bestimmungen darüber, welche raumplanerischen Massnahmen zu einer Mehrwertabgabe führen, von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde weiterhin erheblich variieren und politisch sowie juristisch ein relevantes Thema bleiben werden.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Mehrwertabgabe. In der Schweiz sind bezüglich Auslösung der Mehrwertabgabe zwei Zeitpunkte definiert:
Derzeit ist der Kanton Basel-Stadt der einzige Kanton, in dem die Veräusserung des Grundstücks noch keine Mehrwertabgabe auslöst. Um den Nachteilen dieser Regelung entgegenzuwirken, haben einzelne Kantone Anpassungen im Baugesetz vorgenommen, die es den Gemeinden erlauben, die Fälligkeit der Mehrwertabgabe bei Um- und Aufzonungen davon abweichend zu regeln. Zahlreiche Gemeinden nutzen diese Möglichkeit, um den Zeitpunkt der Abgabenerhebung besser an die tatsächliche Wertentstehung anzupassen und so negative Effekte auf den Grundstücksverkauf und die Siedlungsentwicklung zu vermeiden.
Grundsätzlich wird die Mehrwertabgabe zwischen dem Kanton und seinen Gemeinden aufgeteilt. Wie gross der jeweilige Anteil ist, wird in den kantonalen Baugesetzen festgehalten. Die Motivation hinter der Aufteilung des Ertrags aus der Mehrwertabgabe zwischen Kanton und Gemeinden ist eine faire Verteilung der finanziellen Lasten und Nutzen, die aus planerischen Massnahmen entstehen. Einerseits trägt der Kanton die Verantwortung für übergeordnete Planungen und Infrastrukturen (z. B. grössere Verkehrsbauten), andererseits zeigen sich viele konkrete Auswirkungen – etwa zusätzliche Erschliessungen oder ein gestiegener Bedarf an öffentlicher Infrastruktur – auf kommunaler Ebene. Die Festlegung der Anteile ermöglicht es, sowohl die kantonalen als auch die lokalen Bedürfnisse angemessen zu berücksichtigen und den planerisch bedingten Wertzuwachs dort einzusetzen, wo er am dringendsten benötigt wird.
Ein Kanton kann beschliessen, die gesamte Mehrwertabgabe für sich zu beanspruchen, wenn er beispielsweise den grössten Teil der planerischen und infrastrukturellen Aufgaben übernimmt. Er finanziert dann aus diesen Mitteln übergeordnete Vorhaben wie grosse Verkehrsprojekte oder kantonale Einrichtungen, die auch Gemeinden zugutekommen. Zudem kann der Kanton so eine einheitliche Verwaltung und Verwendung der Abgabe sicherstellen, statt sie auf viele Gemeinden zu verteilen.
Wenn umgekehrt der gesamte Erlös aus der Mehrwertabgabe direkt den Gemeinden zufliesst, haben diese einerseits mehr finanzielle Mittel, um auf lokaler Ebene etwa Infrastruktur- und Ausgleichsmassnahmen gezielt umzusetzen. Andererseits fehlt damit dem Kanton ein Teil der finanziellen Ressourcen, um überregionale oder kantonsweite Projekte (zum Beispiel grössere Verkehrsinfrastrukturen oder Umweltschutzvorhaben) zu realisieren. Zudem kann es bei einer rein kommunalen Verwendung zu Diskrepanzen zwischen den Gemeinden kommen, da diese in unterschiedlichem Mass von Ein-, Auf- oder Umzonungen profitieren.
Wie in der Schweiz – die die Subsidiarität hochhält – üblich, ist auch in diesem Fall die Spannweite gross, und die Lösungen variieren zwischen einem Kantonsanteil von 100% (12 Kantone) und 0% (4 Kantone) sowie einer Vielzahl verschiedener Ansätze dazwischen (Abbildung 6).
Wüest Partner bewegt sich aktiv im Bereich der Mehrwertabgabe und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Bewertungsgutachten zur Ermittlung des Mehrwerts erstellt. Einen repräsentativen Anteil dieser Gutachten haben wir systematisch analysiert, um fundierte Einblicke in die praktische Umsetzung und die regionalen Besonderheiten der Mehrwertlandschaft in der Schweiz zu gewinnen. Die Datenbasis setzt sich wie folgt zusammen:
Jede Planungsmassnahme stellt ein Unikat dar, weshalb ein direkter 1:1-Vergleich zwischen verschiedenen Mehrwertgutachten nahezu unmöglich ist. Dies zeigt sich, wenn man die Planungsmassnahmen anhand folgender drei W-Fragen grob einordnet:
Die folgende Abbildung 8 zeigt, wie hoch der Mehrwert pro Quadratmeter Grundstücksfläche je nach Planungsmassnahmen ausfällt. Hier treten interessante Unterschiede zutage, die die Komplexität und Dynamik des Mehrwertsystems in der Praxis unterstreichen.
Obwohl man intuitiv erwartet, dass Einzonungen – aufgrund des nahezu nicht vorhandenen Ausgangswertes – den höchsten Mehrwert generieren, ergab unsere Auswertung ein anderes Bild. Die besonders hohen Mehrwerte im Falle von Aufzonungen (Abbildung 8) kamen für uns unerwartet und werfen ein neues Licht auf die Bewertungskriterien.
Um die Ursachen für die hohen Mehrwerte bei Aufzonungen noch besser zu verstehen, haben wir die entsprechenden Gutachten im Detail analysiert (Abbildung 9).
Wie die Abbildung 9 zeigt, wird rund ein Drittel der Aufzonungen in Zentrumsgemeinden vorgenommen, während etwa zwei Drittel in der Agglomeration umgesetzt werden. In beiden Fällen werden Aufzonungen vorwiegend an zentralen Lagen innerhalb der Gemeinden realisiert, also an Mikrolagen mit überdurchschnittlicher Qualität und mit entsprechend hohen Bodenpreisen. Ausserdem wird deutlich, dass auch die durch die Planungsmassnahme zusätzlich ermöglichte Nutzung im Durchschnitt höher ausfällt als bei Einzonungen (vgl. dazu Abbildung 9, «Zusätzliche Ausnutzung»). Dies widerspricht insofern der Erwartung, als nach einer Einzonung auf einem bisher unbebauten Grundstück gebaut wird. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Ausnützungsziffer auf neu eingezonten Grundstücken oft von der zusätzlich erlaubten Ausnützungsziffer auf aufgezonten Grundstücken übertroffen wird. In anderen Worten: Auf aufgezonten Grundstücken kann, in Quadratmeter Hauptnutzfläche gerechnet, oft mehr zusätzliche Fläche erstellt werden als auf neu eingezonten Grundstücken. Die Kombination von höheren Bodenpreisen und mehr zusätzlicher Fläche führt dazu, dass Aufzonungen die höchsten Mehrwerte zur Folge haben. Allerdings zeigt ein Blick auf die Abbildung 8, dass die Streuung der erzielten Mehrwerte erheblich ist, was auf sehr unterschiedliche Voraussetzungen bei den einzelnen Aufzonungen hinweist.
Der Anteil der Umzonungen in Zentrumsgemeinden ist deutlich geringer als der Anteil der Aufzonungen. Häufig finden Umzonungen in bestehenden Gewerbezonen an in der Regel durchschnittlichen Mikrolagen statt. Bei Umzonungen wird die Nutzungsziffer in vielen Fällen nicht erhöht, sondern oft sogar verringert, insbesondere dann, wenn das Grundstück von einer Gewerbe- in eine Wohnzone umgewandelt wird. Dennoch ist das Grundstück nach einer Umzonung in aller Regel mehr wert als vorher, was daran liegt, dass Wohnnutzungen höhere Bodenpreise erzielen als Gewerbenutzungen.
In den Zentren gibt es kaum Grundstücke, die sich nicht in einer Bauzone befinden. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass Einzonungen überwiegend in der Agglomeration oder in Landgemeinden vorgenommen werden und auch dort tendenziell eher am Siedlungsrand. Das führt dazu, dass die Grundstücke sowohl in Bezug auf die Makro- als auch in Bezug auf die Mikrolage deutlich weniger zentral liegen und die Bodenpreise damit tiefer ausfallen. Ausserdem zeigt ein Blick auf die Abbildung 8, dass die Streuung der erzielten Mehrwerte relativ klein ist. Das bedeutet, dass die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Projekten im Falle von Einzonungen noch am ehesten gegeben ist.
Das aufgrund von Planungsmassnahmen zusätzlich ermöglichte Mass der Nutzung variiert von Fall zu Fall sehr stark. Um eine bessere Vergleichbarkeit der Massnahmen zu ermöglichen, haben wir den erzielten Mehrwert pro Quadratmeter Hauptnutzfläche berechnet. In dieser Betrachtung schrumpft die Differenz zwischen den erzielten Mehrwerten bei Auf- und Einzonungen deutlich (Abbildung 10). Die verbleibende Differenz lässt sich vor allem dadurch erklären, dass Aufzonungen, wie oben erläutert, im Vergleich zu Einzonungen tendenziell an besseren Lagen vorgenommen werden.
Im Bezug auf Umzonungen erweist sich diese Analyse als wenig aussagekräftig: Hier resultiert der Mehrwert nicht primär aus der zusätzlich erlaubten Nutzfläche (diese verkleinert sich oft sogar, vgl. oben), sondern aus der Änderung der Nutzungsart. Dies führt dazu, dass sich Umzonungen generell kaum benchmarken lassen.
Während sich unsere bisherigen Analysen primär auf den Mehrwert von Grundstücken nach einer Planungsmassnahme konzentrierten, soll nun noch auf die Frage eingegangen werden, wie es um die Tragbarkeit der Mehrwertabgabe für den Eigentümer des Grundstücks bestellt ist. Im Folgenden stellen wir ein Modell vor, das die Mehrwertabgabe in Relation zu den Erstellungskosten eines Neubaus setzt (Abbildung 11). Um die Höhe der Mehrwertabgabe und damit ihre Tragbarkeit einordnen zu können, wurden die Auswirkungen von zwei verschiedenen Abgabesätzen berechnet und den Erstellungskosten gegenübergestellt, die anfallen würden, wenn ein Neubau mit der maximal möglichen Nutzung realisiert wird. Diese Berechnungen wurden nur für Neubauten bei Ein- und Umzonungen vorgenommen. Auf eine Darstellung für Aufzonungen haben wir verzichtet, da in diesen Fällen häufig vorhandene Bestandesbauten weiterverwendet werden und es sich daher in vielen Fällen nicht um einen Neubau, sondern um einen Um-, Auf- oder Anbau handelt.
Die Bandbreite zwischen dem 10%- und dem 90%-Quantil ist bei Ein- und Umzonungen ähnlich gross. Der Median liegt bei den Umzonungen aber nur rund halb so hoch. Das bedeutet, dass der Anteil der Mehrwertabgabe an den Erstellungskosten eines Neubaus bei Umzonungen in der Regel tiefer ausfällt, was daran liegt, dass ein Grundstück, das umgezont werden soll, meist einen deutlich höheren Wert aufweist als eines, das für eine Einzonung vorgesehen ist. Entsprechend fällt der Mehrwert und damit auch die Mehrwertabgabe bei Umzonungen tiefer aus, und dies bei ähnlich hohen Erstellungskosten.
Die Analyse belegt, dass die Mehrwertabgabe für Investoren und Entwickler eine relevante Kostenposition darstellt. Einer fundierten und fairen Bewertung kommt somit eine grosse Bedeutung zu. Auf der anderen Seite wird auch erkennbar, dass die Mehrwertabgabe als Kostenposition innerhalb eines Neubauprojekts sowohl bei einem Abgabesatz von 20% als auch bei einem Abgabesatz von 40% tragbar sein sollte.
Um zu verstehen, wie sich der Prozess der Mehrwertabgabe weiterentwickelt und welche Erfolgsfaktoren und Hürden dabei eine Rolle spielen, haben wir direkte Gespräche mit relevanten Akteuren geführt. Im Hinblick auf diese Gespräche haben wir 4 Thesen aufgestellt und intensiv mit unseren Gesprächspartnern diskutiert. Es fanden insgesamt 6 Interviews mit Berner und Zürcher Gemeinden statt. Ergänzend dazu wurden Gespräche mit Vertretern der Kantone Bern, Zürich und Solothurn geführt.
Die Mehrheit der befragten Akteure ist der Ansicht, dass ein frühzeitiger Einbezug der Grundeigentümer einen wesentlichen Erfolgsfaktor im Prozess der Mehrwertabgabe darstellt. Eine transparente und frühzeitige Information der betroffenen Eigentümer schafft Verständnis für die Hintergründe und Ziele der Massnahme und fördert so eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Es wurde betont, dass Offenheit für Inputs seitens der Grundeigentümer nicht nur dazu beiträgt, ihre Perspektiven und Bedenken zu berücksichtigen, sondern auch die Fairness im Entscheidungsprozess erhöht. Durch einen frühzeitigen Dialog können potenzielle Konflikte im Vorfeld identifiziert und adressiert werden, was letztlich den gesamten Prozess erleichtert. Gleichzeitig wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Entscheidungshoheit bei den Gemeinden und Kantonen liegt. Diese Verantwortung ermöglicht es den öffentlichen Akteuren, den Rahmen und die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, während sie zugleich von den Rückmeldungen der Grundeigentümer profitieren.
Aus einer ökonomischen Perspektive können Bestandesbauten einen wesentlichen Einfluss auf den tatsächlich anfallenden Mehrwert haben, insbesondere dann, wenn eine bestehende Baute die vor der Planungsmassnahme baulich zulässigen Ausnutzungsziffer ausnützt und sich darüber hinaus in einem intakten oder zumindest sanierungsfähigen Zustand befindet. Ob dem Bestandesbau in der Bewertung des Mehrwerts aber tatsächlich Rechnung getragen werden kann, wird je nach Kanton und Gemeinde unterschiedlich beantwortet. Driften der in der Verfügung zugrunde gelegte und der ökonomische Mehrwert bebauter Grundstücke zuungunsten des Grundeigentümers auseinander, so ist die Wahrscheinlichkeit für Streitigkeiten grundsätzlich erhöht. Diese Tendenz war auch im Rahmen unserer Gespräche spürbar, wenngleich der konkrete Umgang mit den Bestandesbauten divers gehandhabt wird.
Die Befragungen und Analysen legen nahe, dass die bisher eingenommenen Erlöse aus der Mehrwertabgabe in den meisten Fällen noch nicht genutzt worden sind. In den meisten Kantonen ist die Verwendung dieser Mittel relativ offen formuliert. Die Erträge sollen beispielsweise für Enteignungen, Auszonungen und Massnahmen der Raumplanung eingesetzt werden. Dabei verfolgt die Mehrheit der Gemeinden bereits eine klare Strategie zur Verwendung der Gelder. Trotz dieser strategischen Ansätze hat bisher jedoch nur eine Minderheit der Gemeinden tatsächlich Gelder aus der Mehrwertabgabe eingesetzt.
Ein weiterer interessanter Aspekt zeigt sich im Kontext der anstehenden zweiten Revision des Raumplanungsgesetzes: RPG 2 sieht die Zahlung einer Prämie für den Abbruch von Bauten ausserhalb der Bauzonen an die betroffenen Eigentümer vor. Diese Prämien müssen in erster Linie von den Kantonen finanziert werden (wobei der Bund Beiträge an deren Aufwendungen leisten kann). Nun ist zu beobachten, dass die Kantone bewusst Erträge zurückhalten, um sie unter anderem für zukünftige Abbruchprämien bereitzustellen.
Diese These wird von allen befragten Akteuren unterstützt. Eine gute Planungsmassnahme, die durch eine fair berechnete Mehrwertabgabe ergänzt wird, bringt für alle Beteiligten Vorteile mit sich. An erster Stelle stehen dabei die Grundeigentümer: Sie profitieren grundsätzlich, wenn ein Grundstück, das sich in ihrem Besitz befindet, ein-, um- oder aufgezont wird. Ob die Grundeigentümer das verstehen, hängt massgeblich von der Art und Weise der Kommunikation ab. Es ist daher essenziell, die Eigentümer frühzeitig und transparent zu informieren, um ihnen die positiven Effekte aufzuzeigen. Um den Erfolg von Ein-, Um- und Aufzonungen sicherzustellen, braucht es aber auch eine geschickte Regelung des Fälligkeitszeitpunkts der Abgabe, um unnötige finanzielle Belastungen zu vermeiden und den Prozess reibungslos zu gestalten. Mit anderen Worten: Eine Planungsmassnahme muss gut durchgedacht und gut umgesetzt werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steigt auch die öffentliche Akzeptanz, da die Mehrwertabgabe als Instrument zur gerechten Verteilung der Planungsvorteile anerkannt ist. Letztlich profitieren so alle: die öffentliche Hand, die Grundeigentümer und die Gesellschaft.